Im Interview mit Jan Zimmermann vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) erfahren wir, warum es für Roboter im öffentlichen Raum bisher kaum spezifische Normen gibt – und wie man einen Roboter trotzdem sicher baut. Zum Abschluss verrät er uns die drei Normen, die jede Herstellerfirma kennen sollte
Warum sind Sicherheitsnormen wichtig?
Normen richten sich an Herstellerfirmen und Anwender:innen und geben eine Orientierungshilfe, sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Bereitstellung sicherer Produkte. Eine Norm ist erstmal freiwillig. Wenn ich jedoch ein Produkt entwickle oder einsetze, kann ich Normen anwenden, um alle Sicherheitsbestimmungen zu erfüllen. Wenn ich mich an die Norm halte, weiß ich: Dieses Produkt erfüllt mindestens in puncto Sicherheit den Stand der Technik. Das wird immer dann wichtig, wenn es zum Unfall kommt und die Haftungsfrage geklärt werden muss. Neben Sicherheitsnormen gibt es aber auch viele andere Normen, die zum Beispiel die Ergonomie an der Mensch-Maschine-Schnittstelle betrachten.
Okay, angenommen ich möchte mein Produkt sicher gestalten. Was muss ich tun?
Ganz grundlegend gilt für den Bereich Sicherheit die DIN EN ISO 12100. Das ist schlichtweg eine Anleitung zur Risikobeurteilung. Diese harmonisierte A-Norm legt grundsätzliche Begriffe fest und enthält eine Methodik, um Risiken zu minimieren. Sie liefert allgemeine Leitsätze für die Konstruktion einer sicheren Maschine. Damit ist die DIN EN ISO 12100 zwar allgemein gehalten, aber sie übersetzt die eher juristisch-angehauchte EU-Maschinen Richtline in eine technisch verständliche Vorgehensweise. Beispielsweise hilft die DIN EN ISO 12100 Herstellerfirmen abzuschätzen, welche Gefahren bei der Verwendung eines bestimmten Produkts eintreten können.
Das klingt in der Tat sehr allgemein.
Ja, A-Normen beschreiben das grundsätzliche Vorgehen. Wenn eine Gefährdung identifiziert ist, suchen sich Herstellende die passende B-Norm, die sich mit Sicherheitsaspekten oder einzelnen Schutzeinrichtungen befassen. Werden etwa Grenzwerte nicht eingehalten, muss man eine Schutzmaßnahme umsetzen. Die DIN EN ISO 13849 befasst sich zum Beispiel mit der Sicherheit von Steuerungen. Sie gibt an, was beachtet werden muss damit Steuerungen nicht ausfallen, also zuverlässig funktionieren. Noch konkreter wird es dann mit den C-Normen: Sie enthalten Sicherheitsspezifikationen, die auf eine spezifische Maschinengattung anwendbar sind. Sie werden deshalb auch als produktspezifische Normen bezeichnet.
Und welche spezifischen Normen gibt es für Roboter im öffentlichen Raum?
(Lacht) Bisher: Keine – beziehungsweise fast keine. Alle Normen, die den Umgang mit Robotern regeln, kommen aus dem Industrie- oder Servicebereich. Das heißt z. B., dass alle biomechanischen Grenzwerte auf die arbeitende Bevölkerung ausgelegt sind. Kinder oder ältere Menschen werden nicht berücksichtigt. Aber natürlich kommen die im öffentlichen Raum vor – und natürlich können da andere Grenzwerte gelten.
Aber es ist nicht nur die Altersgruppe, die wir anpassen müssen. Ein anderes praktisches Beispiel: Im Industriekontext können wir oft davon ausgehen, dass alle Sicherheitsschuhe tragen. Das heißt, das Risiko für die Füße ist sehr gering. Aber im öffentlichen Raum trägt fast niemand Schuhe mit einer Schutzkappe aus Metall.
Das heißt, Roboter im öffentlichen Raum sind vogelfrei?
Nein. Hersteller können sich an den Normen orientieren. Aber man muss prüfen, ob es zusätzliche Maßnahmen braucht – und ob es dafür wiederum andere Normen oder nationale Arbeitshilfen gibt, die das Regeln. Jeder Hersteller ist nach EU-Maschinenrichtline dazu verpflichtet, ein Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen, was bei erfolgreichem Abschluss zu einer EG-Konformitätserklärung mit CE-Zeichen führt. Erst dann darf die Maschine, also z.B. ein Roboter, verkauft und auf den Markt gebracht werden.
Was sollten Hersteller also beachten?
Das Wichtigste ist, sich eine Übersicht zu verschaffen und zu prüfen, welche Normen passen könnten. Deshalb arbeiten wir im Rahmen des rokit Projekts an einem Tool, was dabei unterstützt, den Überblick zu behalten. Wenn ich eine Übersicht habe, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder, ich habe eine passende Norm gefunden – dann stehen die Unternehmen immer noch vor der Herausforderung, diese Norm umzusetzen. Oder aber ich finde keine passende Norm. Dann muss ich selbst überlegen, welche Schutzmaßnahmen ich durchführen muss. Allerdings geschieht das nicht im luftleeren Raum. Zum einen lassen sich die Methoden der A- und B-Normen in der Regel übertragen und zum anderen gibt es auch Materialien jenseits der Normen, die dabei unterstützen können, Roboter sicher zu gestalten. Zum Beispiel von den Unfallversicherungsträgern, oder auch anderen Verbänden wie VDI/VDE oder Forschungsgesellschaften. Grundlegend gilt, dass ich auch Normen immer rational prüfen muss: Macht das in meinem Anwendungskontext Sinn?!
Brauchen wir mehr Normen?
Im Gegenteil – ich persönlich würde sagen, wir haben zu viele Normen. Besser wären weniger Normen, die aber gewisse Fragestellungen eindeutiger beantworten und bereichsübergreifend angewendet werden können. Es ist heute schwer, einen Überblick zu behalten. Aber auch dabei soll das Tool helfen, das wir gerade entwickeln. Wichtig ist, dass Firmen einen entsprechenden Prozess bei der Entwicklung von Produkten integrieren, um ein einheitlich hohes Sicherheitsniveau in Europa zu erzielen.
Zum Abschluss eine letzte Frage: Was sind deiner Meinung nach die drei Normen, die jeder Hersteller kennen sollte?
- DIN EN ISO 12100: Sicherheit von Maschinen – Allgemeine Gestaltungsleitsätze – Risikobeurteilung und Risikominderung
- DIN EN ISO 13849-1: Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen – Teil 1: Allgemeine Gestaltungsleitsätze
- Die, wenn vorhanden, für das Produkt spezifische C-Norm!